Beziehungsarmut – wenn enge Bindungen fehlen Enge persönliche Beziehungen sind das emotionale Fundament unseres Lebens. Sie geben Halt, helfen bei Problemen und schaffen ein Gefühl von Zugehörigkeit. Für Geflüchtete, die sich in einer völlig neuen Umgebung zurechtfinden müssen, sind sie besonders wichtig. Doch aktuelle Forschung zeigt: Viele Geflüchtete in Deutschland leiden unter Beziehungsarmut – dem Fehlen enger Bezugspersonen. Was bedeutet Beziehungsarmut? Beziehungsarmut liegt vor, wenn Menschen keine enge Bezugsperson haben, mit der sie persönliche Gedanken oder Gefühle teilen können. Dabei unterscheidet die Forschung: Keine engen Bezugspersonen überhaupt Enge Bezugspersonen nur innerhalb der Familie (Partner, Kinder, Eltern, Geschwister) Enge Bezugspersonen auch außerhalb der Familie (Freunde, Kollegen, Nachbarn) Wer ist besonders betroffen? Laut der IAB-BAMF-SOEP-Befragung (2017) haben: 14,2 % der Geflüchteten keine einzige enge Bezugsperson. Zum Vergleich: Personen ohne Migrationshintergrund: 10,3 % Andere Zugewanderte: 10,1 – 11,2 % Geschlechterunterschiede: Männer mit Fluchthintergrund sind deutlich häufiger komplett ohne enge Bindungen. Frauen haben zwar öfter enge Bindungen, aber 74,7 % nennen ausschließlich Familienmitglieder. Warum fehlen diese Beziehungen? Der Bericht nennt mehrere Faktoren: Partnerschaftsstatus: Männer leben seltener mit Partnerin zusammen (nur etwa 35 % vs. 70 % in anderen Gruppen). Fluchtumstände: Trennung von Familien, soziale Netzwerke im Herkunftsland bleiben zurück. Kulturelle und sprachliche Barrieren: Hemmen die Kontaktaufnahme außerhalb des familiären Umfelds. Kurzere Aufenthaltsdauer: Neue Bindungen entstehen oft erst nach mehreren Jahren. Entwicklung mit der Aufenthaltsdauer In den ersten 5–6 Jahren nach Ankunft nimmt der Anteil rein familienbezogener Beziehungen ab – besonders bei Frauen. Keine enge Bezugsperson: Bleibt bei beiden Geschlechtern über die Jahre relativ konstant. Selbst nach 8 Jahren liegt der Anteil Geflüchteter ohne enge Freunde noch bei 10 % – doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Warum Beziehungsarmut problematisch ist Fehlende enge Beziehungen bedeuten: Weniger emotionale Unterstützung Kaum Zugang zu wichtigen Alltagsinformationen (Wohnung, Arbeit, Behörden) Weniger Möglichkeiten, Deutsch zu lernen und kulturelle Unterschiede zu überwinden Höheres Risiko für Einsamkeit und Isolation Wege aus der Beziehungsarmut Laut Bericht wirken besonders: Sprach- und Integrationskurse → erleichtern Kontakte Erwerbstätigkeit und Ausbildung → fördern Begegnungen außerhalb der Familie Vereins- und Ehrenamtsarbeit → schafft gemeinsame Aktivitäten und Vertrauen Fazit: Beziehungsarmut ist kein Randthema – sie entscheidet oft über den Erfolg der Integration. Geflüchtete brauchen nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch Zugang zu Beziehungen, die über die Familie hinausgehen. Hier kann die Gesellschaft aktiv Brücken bauen.