Kontaktarmut – wenn Begegnungen fehlen Soziale Kontakte sind der Motor für Integration: Sie helfen beim Spracherwerb, öffnen Türen zu Arbeit und Bildung und geben das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Doch für viele Geflüchtete in Deutschland sind solche Begegnungen rar. Die Forschung spricht hier von Kontaktarmut – und sie ist weiter verbreitet, als viele denken. Was bedeutet Kontaktarmut? Kontaktarmut beschreibt den Mangel an lockeren Kontakten zu Menschen außerhalb der eigenen Familie. Dazu zählen: Freundschaften und Bekanntschaften Gespräche mit Kolleg:innen, Nachbar:innen oder Vereinsmitgliedern Begegnungen mit Menschen aus anderen Kulturkreisen, insbesondere Kontakte zu Deutschen Als kontaktarm gelten Personen, die nie oder seltener als einmal im Monat Zeit mit nicht verwandten Personen verbringen. Wie verbreitet ist Kontaktarmut bei Geflüchteten? Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung (2016–2022) zeigt: Geflüchtete Frauen sind stärker betroffen: In den ersten sechs Jahren nach Ankunft haben rund 15 % nur selten oder nie Kontakt zu nicht verwandten Personen. Geflüchtete Männer: ca. 10 Prozentpunkte weniger betroffen. Kontakte zu Deutschen fehlen besonders häufig: Frauen: 36–63 % je nach Aufenthaltsdauer Männer: 16–49 % Höchstwerte direkt nach der Ankunft und während der COVID-19-Pandemie. Wer ist besonders gefährdet? Der Bericht nennt klare Risikofaktoren: Gemeinschaftsunterkünfte: Dort fehlen oft Gelegenheiten für Kontakte zu Deutschen. Geringe Deutschkenntnisse: Sprachbarrieren verhindern Smalltalk und tiefere Gespräche. Niedrige Bildung: Weniger Zugang zu Bildungs- oder Arbeitsumgebungen mit Diversität. Alter: Ältere Geflüchtete haben im Schnitt weniger externe Kontakte. Diskriminierungserfahrungen: Wer Ausgrenzung erlebt, meidet häufiger neue Begegnungen. Die Corona-Pandemie als Verstärker Während der Pandemie brachen viele Begegnungsmöglichkeiten weg: Sprach- und Integrationskurse wurden abgesagt oder online verlegt. Veranstaltungen, Vereinsaktivitäten und Begegnungscafés fielen aus. Der Aufbau neuer Kontakte verzögerte sich spürbar. Warum lockere Kontakte so wichtig sind Lockere Bekanntschaften – auch weak ties genannt – bringen Vorteile, die enge Familienbeziehungen oft nicht bieten: Zugang zu neuen Informationen (z. B. Job- oder Wohnungstipps) Sprache im Alltag üben Einblicke in die Alltagskultur des Aufnahmelandes Möglichkeit, schrittweise Vertrauen in neue soziale Umfelder aufzubauen Strategien gegen Kontaktarmut Wohnortnahe Sprachcafés und Begegnungstreffs Gemeinsame Aktivitäten in Sport, Musik oder Handwerk Patenschaftsprogramme zwischen Einheimischen und Geflüchteten Arbeits- und Ausbildungsplätze als Kontaktmotor Fazit: Kontaktarmut ist oft unsichtbar, aber sie wirkt sich massiv auf Integration und Lebensqualität aus. Wer Geflüchteten echte Teilhabe ermöglichen will, muss Wege schaffen, wie sie regelmäßig und unkompliziert Menschen außerhalb der Familie treffen können. Nur so entstehen Brücken, die tragen.